Wenn Kopf und Bauch im Ring stehen
- Lotta

- 15. Aug. 2021
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. Okt. 2021
Bist du ein Bauch- oder ein Kopfmensch? Die Frage kennt so ziemlich jeder und obwohl es oftmals ein regelrechter Kampf ist, vertraue ich lieber auf mein Bauchgefühl. Neulich hatte ich eine virtuelle Wohnungsbesichtigung. Es sprach alles gegen diese Wohnung. Nur ein Zimmer statt zwei und weder Winterhude, noch Eppendorf noch Eimsbüttel. Im Gegenteil, die Wohnung lag in der Hauptbahnhofgegend, wie man sie eben aus jeder Großstadt kennt. Trotzdem wollte ich „nur mal gucken“. An der anderen Leitung erwartete mich ein herzliches und super sympathisches Mädel, Tina. Sie meinte sie würde innerhalb des Hauses mit ihrem Freund in eine größere Wohnung ziehen und suche nun nach einer/einem passenden Nachmieter:in, mit der/dem man auch mal ein Weinchen trinken könne. Pluspunkt Nummer eins. Sie führte mich durch die Wohnung und ich war regelrecht schockverliebt. Klein aber sehr schön geschnitten. Die Küche lag separat, es gab eine Badewanne und einen Balkon. Die drei Bedingungen waren zumindest erfüllt. Dazu schwebten Tina und ich auch noch zu hundert Prozent auf einer Wellenlänge. Sie gab mir Bedenkzeit und ich brauchte ein paar Minuten, um mich von meiner unerwarteten Euphorie wieder auf den Boden der Tatsachen zu holen. Das war so nicht geplant…
Ich fragte einige Freundinnen, die Hamburg besser kannten als ich, um Rat. So ziemlich jede hatte mir aufgrund der "Ghetto"-Gegend und der überschaubaren Quadratmeterzahl deutlich davon abgeraten. Ich rief Tina an. „Ich schaue mich lieber noch ein bisschen um. Ich denke, die Gegend wird tatsächlich nichts für mich sein…“, sagte ich und spürte wie sich der Kloß in meinem Hals verfestigte. „Klar, es ist nicht München aber man kann hier echt gut leben, du hast alles was du brauchst. Und im Haus wohnen einige junge Mädels und auch Familien. Aber wenn du magst, zeige ich dir nach der Arbeit nochmal die Umgebung.“, antwortete Tina. Ich wusste nicht wirklich womit ich das verdient hatte aber ich nahm das Angebot an und war ihr dankbar für die Mühe, auch wenn mich ihr Entgegenkommen etwas stutzig machte. Wieso machte sie sich selbst diesen Aufriss, wenn sie doch so viele Zusagen hatte? Um 16 Uhr rief sie mich an und führte mich virtuell durch die Straßen Hamburg Mittes. Als wir uns zunächst der Langen Reihe und anschließend der Alster näherten, glänzten meine Augen. Es war traumhaft. Nachdem wir unsere kleine Tour beendet hatten, gab Tina mir erneut eine Nacht Bedenkzeit. Ich konnte kaum schlafen, weil Kopf und Bauch im Ring standen. „Such lieber weiter, du findest noch was Besseres in deiner Wunschgegend.“ vs. „Da hast du doch alles, was du für einen guten Start in einer neuen Stadt brauchst. Und find in deiner Traumgegend erstmal was Bezahlbares.“. Dazwischen noch die Meinungen meiner Freundinnen: "Mach das bloß nicht".
Am nächsten Morgen schrieb ich Tina über WhatsApp „Tausend Dank für deine Mühe aber ich habe mich dazu entschieden weiterzusuchen.“ Mein Hals war dabei nun endgültig wie zugeschnürt und meine Laune hatte regelrecht den Tiefpunkt erreicht, war das nicht schon ein Zeichen? „Ach wie schade aber das ist natürlich total in Ordnung. Ich drücke dir ganz doll die Daumen und meld dich mal, wenn du was gefunden hast.“ Ihre nette Antwort machte es mir nicht wirklich leichter und ich spürte es einfach: Diese Entscheidung war falsch. Mein Bauchgefühl hatte die Hosen an. Ich scrollte durch die Wohnungsangebote aber mir gefiel nichts. Meine Gedanken schweiften immer wieder zu meiner kleinen Traumwohnung in der Seitenstraße vom Ghetto. Einen Tag später saß ich vor meinem Laptop zum Arbeiten, mein Blick glitt immer wieder auf das daneben liegende Handy und mein Bauch schrie ununterbrochen „Nun los!“. Ich wägte nochmal in Ruhe ab. Okay, nicht meine Traumgegend und auch keine zwei Zimmer aber die Wohnung ist wunderschön, liegt super zentral, hat eine Badewanne und einen Balkon und on top bekomme ich eine super sympathische Nachbarin, die mir versicherte, dass man abends bedenkenlos raus gehen könne und wieso sollte sie mir Geschichten erzählen, wenn sie selber im Haus wohnen bleibt? Mein Kopf schrie „Ghetto!“ aber ich zeigte ihm gedanklich den Allerwertesten und zückte mein Handy. „Tina, ich habe eine falsche Entscheidung getroffen. Wenn die Wohnung noch zu haben ist, würde ich sie wirklich gerne nehmen!“. Mein Puls war auf 180 bis sie antwortete. „Glück gehabt, ich hätte sie heute Nachmittag anderweitig vergeben aber nun gehört sie dir!“ Mir fiel ein Stein vom Herzen und meine Augen glänzten. Ich habe auf meinen Bauch gehört, habe das gemacht, was mein Gefühl gesagt hat. Ob sich diese Entscheidung als „die Richtige“ entpuppt hat, liest du hier.
Und letztendlich hat es sich in meinem bisherigen Leben immer wieder bestätigt:
Egal was andere sagen und in den meisten Fällen auch egal was der Verstand sagt – das Bauchgefühl weiß es letztendlich besser und das ist es, was uns am Ende wirklich glücklich macht.




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